Mehrwert
Biobauern gehen neue Wege.
In Niederösterreich fördern Bürger die Biolandwirtschaft jetzt über eine AG.
Text: Eva Maria Bachinger Foto: SN/Privat
Publiziert in Salzburger Nachrichten, 2022
„Ich war Biobauer Nummer 56 in Niederösterreich“, sagt Fred Schwendinger. Der gebürtige Vorarlberger war nicht nur einer der ersten Biobauern in Österreich, er hat in Niederösterreich auch den Almauftrieb mit seinen Kühen eingeführt. Auch mit der Gründung der ersten Regionalwert AG in Österreich geht er neue Wege. „Ich mache hier am Jauerling nicht zum ersten Mal Entwicklungshilfe“, sagt er schmunzelnd. Der Anlass ist schnell erklärt: Schwendinger hat neben seinem Bauernhof am Jauerling in Niederösterreich einen Bioladen in Krems. Es ist ihm aufgefallen, dass er im Februar fast kein regionales Biogemüse mehr bekommt, sondern das meiste aus dem Ausland kaufen muss, was nicht sehr klimafreundlich ist.
„Das Know-how, wie österreichisches Gemüse gelagert werden kann, ist zunehmend verloren gegangen. Es rechnet sich für Biobauern nicht mehr, den Aufwand der Lagerung zu betreiben. Da wir nicht alle Kosten an die Konsumenten weitergeben können, lagert kaum ein Biobauer mehr Gemüse oder Obst im größeren Stil ein“, erzählt Schwendinger.
Diese Entwicklung ist ein Grund unter vielen, warum er 2021 mit Mitstreitern aus der Lebensmittelbranche die Regionalwert AG gegründet hat. Sie funktioniert so, dass Bürger, denen landwirtschaftliche Produkte vor der Haustür ein Anliegen sind, bei der Regionalwert Aktien kaufen. Das Geld wird in ökologische Projekte von kleinen und mittleren Biobauernhöfen, in Verarbeiter, Händler, Bioläden oder Gastronomen in der Region reinvestiert.
Die Frage „Was habe ich als Aktionär davon?“ wird hier anders beantwortet als mit Geld: Die Rendite für die Anleger ist ökologisches, regionales Gemüse auf dem Teller, eine gesunde Umwelt und Biobauern in der Region, die von ihrer Arbeit leben können.
150 Anleger gibt es schon. Ihnen wird auch jährlich offengelegt, was durch ihr Geld ermöglicht wurde. Das Prinzip lässt sich auf sämtliche regionale Produzenten, Handwerker oder Händler ausdehnen, aber die Gruppe in Niederösterreich konzentriert sich erst einmal auf Lebensmittel.
Vergangenes Jahr haben sich die EU-Staaten und das Europa-Parlament nach zähem Ringen auf eine sanfte Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik geeinigt. Ziel ist, dass Lebensmittel irgendwann umweltfreundlicher produziert werden sollen. Doch viele Produzenten wie Schwendinger wollen nicht zuwarten, bis Agrarförderungen endlich nicht mehr von der Größe eines Betriebs abhängen, sondern mehr auf die ökologische und damit klimafreundliche Wirtschaftsweise abzielen.
„In unserer globalisierten Welt gibt es einen Wert, der immer wichtiger wird. Das ist das Wissen, wo unsere Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden – und auch ein möglichst direkter Zugang zu ihnen. Das kann in kritischen Zeiten ein Garant für eine stabile Versorgung sein, wenn die globalen Lieferketten samt Spekulanten weitere Versorgungsengpässe produzieren“, betont Schwendinger.
Das Konzept der Regionalwert AG ist in Deutschland bereits seit 15 Jahren erprobt: Sieben aktive Aktiengesellschaften und zehn im Aufbau decken mehr als die Hälfte des Bundesgebiets ab. Bisher wurden acht Millionen Euro in 100 Betriebe investiert. „Die Betriebe arbeiten partnerschaftlich zusammen, die Aktionäre übernehmen durch ihre Investition Verantwortung für die Landwirtschaft ihrer Region“, erklärt Gründer Christian Hiß, Sohn eines Biobauern aus Freiburg. Er sieht die Initiative als Mehrwert für das Gemeinwohl.
Bei der Regionalwert AG in Niederösterreich angeklopft haben bislang zum Beispiel Jungbauern, die auf Bio umsteigen möchten, aber auch alteingesessene Biobauern, die speziellen Technologiebedarf haben, wie eine Getreidereinigungsmaschine, um die eigene Produktionskette vom Acker bis zur Mühle zu schließen. Ein anderer Betrieb plant, ein Feld mit seltenen Obstsorten anzulegen, um in Hinblick auf die Klimaerwärmung Sorten aus trockeneren, wärmeren Regionen zu testen.
Die meisten Partnerbetriebe profitieren jedoch auch so von der Regionalwert AG, wenn beispielsweise der Bioladen von Fred Schwendinger in Krems Brot von der nahe gelegenen Bäckerei Aubrunner kauft, die wiederum das Mehl vom Biohof Sommer am Jauerling bezieht. „In der Regionalwert AG wird der Wert bezahlt, den Menschen zum Leben brauchen, die Leistungen für Natur und Boden und damit für eine nachhaltige Zukunft erbringen. Nur so geben wir den regionalen Betrieben wieder die Würde zurück, die sie im anonymen Wettbewerb gegen die Großen verlieren.“
Info: regionalwert-ag.at