Ware Schwangerschaft: Kinder mit Preisschild

Entgegen allen Behauptungen aus der reproduktionsmedizinischen Romantikabteilung: Kommerzielle Leihmutterschaft ist ein brutales Geschäft, das sich nicht mit Freiheits- oder Frauenrechten rechtfertigen lässt

Text: Eva Maria Bachinger

Publiziert in Der Standard, Juli 2015

Das Lamento ist groß: Österreich sei zu wenig liberal, und andere Länder seien "viel weiter". Kürzlich erneut beklagt von Eric Frey ("Wir sind Nachzügler bei Liberalität", im STANDARD vom 25. 7.). Beliebtes Beispiel für Rückständigkeit ist auch das Fortpflanzungsmedizingesetz. Es schränke "immer noch stärker ein als anderswo" und nehme Menschen die Chance, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

Wünsche sind immer legitim, Wünsche sind zu erfüllen, mit jeglicher Methode, staatlich unterstützt? Das ist konsumorientiertes Denken, denn Grenzen sind nicht opportun in einer Gesellschaft, die den Eigennutz und die Wünsche des Einzelnen absolut setzt. In Namen der Liberalität werden auch konservative Normen forciert: Denn jeder muss ein Kind haben, und zwar ein genetisch eigenes. Frey könnte ja auch fordern, Adoptionen zu erleichtern. Zu meinen, es gehe hier nur um Freiheitsrechte, kann man mit einem Wort bezeichnen: naiv. Die Branche ist ein wachsender, profitabler Markt. Laut US-Marktforschung umfasst er mehr als neun Milliarden US-Dollar, bis 2020 werden es 22 Milliarden sein.

Anderswo ist es durch Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht nur möglich, den Embryo gezielt nach einer Erbkrankheit zu untersuchen, sondern das gesamte Genom unspezifisch zu screenen. Selbstverständlich wird die PID auch zur Selektion nach Geschlecht angewendet. Seit Juni ist die Eizellenspende formal erlaubt – aus "altruistischen Gründen", wie Befürworter betonten. Sozialdemokratinnen, denen wie einst Johanna Dohnal bei diesem Thema die Verfügungsmacht über den Frauenkörper und die Profitgier ein Dorn im Auge sein sollten, jubelten über einen "frauenpolitischen Meilenstein". Was für eine Naivität! Würde man nur ein wenig über seinen Schrebergartenzaun blicken, wäre klar, dass das Gerede vom Altruismus schlichtweg Unsinn ist. Diese Rhetorik soll lediglich das Geschäft und das Unbehagen kaschieren.

Ein Arzt setzt auf "bewährte Strukturen", und so kommen in seine Klinik eben Frauen aus Osteuropa als "Eizellenlieferantin" nach Wien. Er bietet ihnen bis zu 1500 Euro pro Spende. Auch die Behauptung, dass die für die "Eizellernte" nötige hormonelle Stimulierung der Spenderin unbedenklich sei, ist erstaunlich. Laut dem deutschen Institut für Technikfolgenabschätzung fehlt es an Studien über Langzeitfolgen. Sehr dürftig ist auch die Forschung über Motive der Spenderinnen. Wir wissen hier also wenig bis gar nichts. Dennoch empfahl die Bioethikkommission die Freigabe der Eizellenspende, das Parlament beschloss sie mehrheitlich.

In anderen Staaten ist man auch "viel weiter", weil Leihmutterschaft erlaubt ist. Die Lage der Leihmütter interessiert uns noch viel weniger. Sie sitzen in keinen Talkshows oder lachen von Zeitungscovers. Doch seitenweise werden Paare zitiert, die Verboten zum Trotz im Ausland eine Leihmutter engagieren – und natürlich Ärzte. Die beteiligten Leihmütter und Eizellenspenderinnen sind unsichtbar, um die Idylle nicht zu stören. Abgesehen davon, dass es journalistisch unbefriedigend ist, wenn wesentliche Perspektiven fehlen, ist es demokratiepolitisch bedenklich, wenn darüber so eindimensional diskutiert wird.

Derzeit halten fast alle Parteien noch am Verbot fest. Nur die Grünen haben keine eindeutige Position. Schließlich ist zu klären, ob Gleichstellung das oberste Prinzip sein muss oder nicht. Denn das Verbot führt dazu, dass schwule Paare und Frauen ohne Gebärmutter keine (halb-)eigenen Kinder haben können. Doch die Frage bleibt: Wieso muss alles möglich sein, was künstlich mach-bar ist? Zu welchem Preis wird gleichgestellt?

Und die Kinder? Um sie geht es eigenartigerweise fast nie bei der Debatte. Ihre Rechte und Bedürfnisse sind zweitrangig, über langfristige Folgen unserer Experimente liegen kaum Studien vor. Es interessiert uns offenbar nicht, stattdessen wird die Konsumhaltung "Jeder hat ein Recht auf ein Kind" hochgehalten. Würde man die politische Forderung nach Gleichstellung nicht absolut setzen, sondern die Menschenrechte als Norm achten, dann kann es keine Freigabe der Leihmutterschaft geben. In der Kinderrechtskonvention ist im Artikel 35 festgehalten, dass Kinder nicht gegen Geld gehandelt werden sollen. Das findet aber statt, denn die Leihmutter wird meistens nicht bezahlt für ihre Versuche, schwanger zu werden, nicht für die Schwangerschaft, sondern erst bei Lieferung eines gesunden Kindes.

Heute hat alles ein Preisschild. Alles wird zur Ware: Schwangerschaft, Geburt, Eizellen, Samenzellen, Embryonen und das Kind. Dass viele daran nichts mehr finden, im Namen der "reproduktiven Freiheit", die aber die Abhängigkeit und Diskriminierung anderer in Kauf nimmt, zeigt nur, wie ökonomisiert wir mittlerweile denken. Es ist hoch an der Zeit, die reproduktionsmedizinische Romantik abzulegen, da die Entwicklungen von politisch Verantwortlichen unterschätzt werden: Der Einsatz für Kinderrechte und ein internationales Verbot der kommerziellen Leihmutterschaft ist ein Gebot der Stunde.

Wer sich für die Eizellenspende ausspricht, der muss auch zum Geschäft damit stehen. Und wie jemand, der sich für Frauenrechte einsetzt, dies mit seinen Grundsätzen vereinbaren kann, ist mir ein Rätsel. Es ist deshalb auch Zeit für einen lauten feministischen Widerstand. 

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