Mutterschaft als Ausbeutung

Text: Eva Maria Bachinger

Publiziert in Die Furche, Mai 2020

Die Corona-Pandemie macht offensichtlich, was sonst gerne ignoriert wird: ein Wirtschaftssystem, das auf Auslagerung von Produktion in ärmere Länder und Ausbeutung basiert. Bilder von Kindern in einer ukrainischen Klinik, die bei Leihmüttern bestellt wurden und nicht abgeholt werden können, sind ein Sinnbild dafür. Sie sorgen für Kritik, aber auch für Forderungen nach einer Freigabe der sogenannten „altruistischen“ Leihmutterschaft. Ein Blick auf diesen massiv kommerzialisierten Bereich lässt diesen Zugang allerdings romantisch-naiv erscheinen. All das Gerede von „Altruismus“ oder „Spende“ im Kontext der Reproduktionsmedizin ist ein Hohn angesichts der Realität, wo es um Macht und Geld geht. Diese Begriffe sollen letztlich ein profitables Geschäft mit einem innigen Wunsch nach einem Kind kaschieren und für ein reines Gewissen aller Beteiligten sorgen. 

Seien wir doch ehrlich und schauen wir genau hin: In den allermeisten Fällen läuft Leihmutterschaft so ab, dass ein wohlhabendes Paar eine ärmere Frau vertraglich damit beauftragt, ein Kind auszutragen. Oftmals kommt auch eine anonyme Eizellenspenderin hinzu, die Befruchtung ist künstlich, inklusive sämtlicher genetischer und pränataler Tests sowie Kaiserschnitts als Standard. Selbst wenn man meint, die Bedingungen dieser „Arbeit“ verbessern zu können – also eine Art Fairtrade-Leihmutterschaft zu machen – , bleibt die Frage nach den Rechten und Bedürfnissen des Kindes. Niemand kann leugnen, dass ein abrupter Beziehungsabbruch nach neunmonatiger Schwangerschaft emotional belastend ist, niemand kann behaupten, dass die vorgeburtliche Beziehung zwischen Mutter und Kind unbedeutsam ist. Und jeder muss sich die Frage gefallen lassen, warum er Menschenrechte verletzt: Denn nach der Kinderrechtskonvention, die alle Staaten der Erde – mit Ausnahme der USA – anerkannt haben, hat ein Kind das Recht auf Unversehrtheit, zudem das Recht, seine Herkunft – also auch seine leiblichen und genetischen Eltern – zu kennen, möglichst bei Letzteren aufzuwachsen und das Recht, nicht gegen Geld gehandelt zu werden. 


Der Mensch ist keine Ware 

All diese verbrieften Kinderrechte werden bei der Leihmutterschaft wissentlich verletzt. Ein Kind wird ab der Zeugung als Gegenstand eines Vertrages gesehen, bezahlt wird meist erst bei Lieferung. Wenn ein Kind nicht den Vorstellungen der Bestelleltern entspricht, wird es nicht übernommen, was zahlreiche internationale Beispiele zeigen. Aber: Ein Kind darf aufgrund des Verbotes eines „sale of children“ niemals „Produkt“ einer bezahlten Dienstleistung sein. Der Mensch ist keine Ware, Menschenhandel ist schlichtweg verboten, auch der Handel mit menschlichen Teilen – das war und ist eine zivilsatorische Errungenschaft. Bei aller Empathie für die Verzweiflung von Menschen, die ungewollt kinderlos sind, kann die Antwort auf diese existenzielle Sinnkrise nicht nur technisch-medizinisch sein. Sie brauchen psychologische Begleitung und ethische Richtlinien. Statt nach einer Freigabe zu rufen, sollte man sich dafür einsetzen, solche menschenunwürdigen Praktiken weltweit zu verbieten.

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