The Skishow must go on
Text: Eva Maria Bachinger
Publiziert in Wiener Zeitung, 2019
Der Artikel "Schneestad: Der frühe Start in die Skisaison" hat mich fast amüsiert zurückgelassen. Das Schauspiel um das Schneeband in Kitzbühel ist aber sicher nicht lustig, es ist tragisch-komisch. Es ist absurd, wie hier argumentiert wird: Das weiße Band in grüner Landschaft sei ökologisch vertretbar, ja sogar nachhaltiger als die Pisten im Hochwinter. Oben am Berg, wo erste Skifahrer den Hang hinunterrutschen, störe das Band niemanden, das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels sei "Zeitgeist" und "tue ein Übriges", dass aus all dem "ein großer Skandal" gemacht worden sei. Auch die Landesumweltanwaltschaft Salzburg habe trotz intensiver Prüfung keine Gründe für ein Verbot gefunden. Schließlich werde die Piste seit 1972 zum Skifahren genutzt und dafür mit schwerem Gerät bearbeitet. Überhaupt sei die Berglandschaft dort alles andere als unberührt, der Schaden für den Boden sei vernachlässigbar, und es gebe auch keine schützenswerten Pflanzen und Tiere auf dem Gebiet des Schneebands.
Nun ja, das war sicher „immer schon so“. Jetzt, da ohnehin der Boden verdichtet ist, Fauna und Flora sich in den letzten Bergwinkel verzogen haben, riesige Gebiete in den Alpen verschandelt und verbaut sind, kann man ja tun und lassen was man will. The Skishow must go on. Als Ausgleich sei ein Moor renaturiert worden. Wie schön. Diese Maßnahme wird wohl aber leider auch nicht mehr viel daran ändern, dass Moore durch die zunehmende Erwärmung verschwinden.
Bei all der Empörung über das Band und über die Kritik daran gerät in den Hintergrund, dass es sich hier tatsächlich nicht um eine überaus große Umweltsünde handelt, sondern dass die Fotos das Symbol für einen Skitourismus sind, der die große Entgrenzung lebt, den weder Klimakrise noch Jahreszeiten aufhalten können. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal des "Snowbusiness" - wie ein sehenswerter Dokumentarfilm das Thema nennt -, sondern es ist unser Grundproblem: Die Klimakrise ist letztlich nur ein Symptom einer Gesellschaft, die verlernt hat, mit Grenzen umzugehen, Grenzen zu respektieren. Wir leben in einer endlichen Welt, auch wir sind endliche Wesen. Doch das wird verdrängt von dem unendlich Machbaren. Es ist erstaunlich wie groß der Druck offenbar noch werden muss, damit wir aufhören, uns das Maximale zu nehmen, alles auszubeuten bis zum Letzten, Fakten wie etwa Schneemangel sowie Erwärmung und die Folgen davon zu akzeptieren.
Auch ich bin leidenschaftliche Skifahrerin und Bergsteigerin. Ich suche in den Bergen Ruhe, Stille, gute Gespräche mit meinen Bergfreunden, Verbundenheit mit einer erhabenen, jahrtausendealten Naturlandschaft mit vielen einzigartigen Lebewesen, mit einer Landschaft, die uns letztlich trotz allem überdauern wird. Auch wenn ich Skitouren bevorzuge, habe ich Skifahren natürlich auf einer Piste gelernt, auch ich war schon öfters froh, mir Höhenmeter durch einen Lift ersparen zu können. Aber was in vielen Skiorten vor sich geht, dass nach wie vor großspurige Pläne für einen weiteren Ausbau von Skigebieten - wie etwa im Ötztal/Pitztal - existieren, entzieht sich mittlerweile meinem Verständnis für wirtschaftliche Notwendigkeiten. Es handelt sich angesichts der realen Veränderungen in der Natur schlichtweg um wirtschaftliche Unvernunft. „Von Landschaft leben“, wie chinesische Weisheit uns lehren könnte, wird bald nicht mehr möglich sein. (Vgl.: „Von Landschaft leben – oder das Ungedachte der Vernunft“, von F. Jullien). Manche Skiorte sind so klug und reorientieren sich, konzentrieren sich auf möglichst naturnahen Tourismus. Kitzbühel gehört offensichtlich noch nicht dazu.