Braucht es den Lobautunnel?

Text: Eva Maria Bachinger

Publiziert in Der Standard, 2021

Große Aufregung herrscht vor allem bei der SPÖ, weil das Umweltressort Verkehrsprojekte evaluieren lässt, unter anderem auch die geplante Nordostumfahrung inklusive eines 8,2 Kilometer langen Tunnels unterhalb der Lobau, Teilgebiet des Nationalparks Donau-Auen. Wenn der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig meint, mit einem möglichen Projektstopp riskiere man "Milliardenschäden" und einen starken Einschnitt in die Entwicklung der Ostregion, dann fragt man sich, bitte, welche Art von Entwicklung? Auch in Zukunft immer mehr Autoverkehr, immer mehr Lkws, die Produkte aus aller Herren Länder liefern, immer mehr Luftverschmutzung, immer mehr Lärm?

Die ehemalige Umweltstadträtin Ulli Sima, die bis vor kurzem bei jeder Gelegenheit mit Blumen und Tieren von Plakaten lächelte, ist nun Verkehrsstadträtin und tut sich damit hervor, kurzsichtige Klientelpolitik zu betreiben. Offenbar hat die SPÖ seit den Protesten gegen das Kraftwerk Hainburg, als sie gegen die letztlich erfolgreiche Au-Besetzung mit der Industrie marschierte, gar nichts gelernt.

Noch sinnvoll?

Selbstverständlich muss überprüft werden, ob Projekte, die vor allem den emissionsreichen, motorisierten Individualverkehr forcieren, überhaupt noch sinnvoll sind – angesichts der ökologischen Lage und der vereinbarten Klimaschutzziele auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Doch verantwortliche Politikerinnen und Politiker und manche ihrer Wählerinnen und Wähler haben offenbar noch immer nicht den Aufruf, unsere Lebensweise zu ändern, gehört.

Nach all den Versprechungen, es nun wirklich ernst mit dem Klimaschutz zu meinen, ein derartiges Projekt nach wie vor umsetzen zu wollen, ist nicht zu fassen. Das würde die verkehrspolitische Ausrichtung erneut für Jahrzehnte einzementieren und ebenfalls "Milliardenschäden" fabrizieren. Eine zukunftsweisende, an die nächsten Generationen denkende Verkehrspolitik würde konsequent den öffentlichen Verkehr ausbauen und Fahrkarten deutlich günstiger anbieten. Sie würde den Fußgängerinnen und Fußgängern sowie den Radfahrerinnen und Radfahrern den öffentlichen Raum zurückgeben. Sie würde dazu beitragen, dass Menschen nicht mehr ausschließlich auf ein Auto angewiesen sind, um gut zur Arbeit zu kommen, und sie würde endlich den Lkw auf die Schiene bringen.

"Das Schutzgebiet steht jetzt schon unter Druck."

In mühsamen, zwölf Jahre andauernden Verhandlungen wurden die Donau-Auen östlich von Wien zu einem Nationalpark. Das Schutzgebiet versucht seitdem dazu beizutragen, dem massiven Artensterben Einhalt zu gebieten. Durch Bildungsarbeit soll die eklatante Naturentfremdung des modernen Menschen ein wenig zurückgedrängt werden. Möglichst intakte Ökosysteme sind widerstandsfähiger und könnten uns auch helfen, die Klimakrise zu meistern.

Doch offenbar ist nicht einmal ein Nationalpark tabu: Durch derartige Projekte werden die Ziele eines Nationalparks, vorgegeben von der Weltnaturschutzorganisation IUCN, infrage gestellt. Das Schutzgebiet steht jetzt schon unter Druck, durch die wachsenden Städte Wien und Bratislava, durch intensive Landwirtschaft, Flug- und Schiffsverkehr. Vor allem die Lobau ist von Austrocknung betroffen, die Grundwasserspiegel sinken – das ist nicht nur schlecht für die Natur, sondern auch für die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft. Eine schöne Bescherung zum 25. Geburtstag des Nationalparks, auch für die Stadt Wien, die das Gebiet gemeinsam mit dem Land Niederösterreich und dem Bund finanziert.

Mehr Verkehr

Ja, Autofahren ist praktisch, oft nötig, für viele cool, und es macht Spaß. Doch so spaßig kann es oft nicht sein, wenn man mit dem Rad an Kolonnen vorbeifährt und grantige Autofahrerinnen und Autofahrer erblickt, weil sie wieder einmal im Stau stehen. Die Antwort darauf kann nicht sein, noch mehr Hochleistungsstraßen zu bauen, denn laut Studien weiß man längst, dass sie mehr Verkehr bedeuten. Eine Autobahn zu errichten und unter der Lobau einen Tunnel zu bohren ist insofern Verkehrspolitik von vorgestern.

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