Kein Recht auf ein Kind

Alle Lebensbereiche sind mittlerweile kommerzialisiert, auch die Reproduktionsmedizin. Ein besonders dunkles Kapital ist die gängige Praxis der Leihmutterschaft – sie geht immer zu Lasten der Kinder und oft auf Kosten von Frauen in ärmeren Ländern.  

Text: Eva Maria Bachinger

Publiziert in Missio, 2020

In Österreich ist Leihmutterschaft nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz nicht erlaubt, in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist diese Methode der Reproduktionsmedizin ebenfalls untersagt. Doch das hindert Paare mit unerfülltem Kinderwunsch nicht daran, ins Ausland zu reisen und dort über eine Agentur eine Leihmutter zu engagieren. Das Verbot der Leihmutterschaft widerspreche dem „Recht auf ein Kind“, sagen Kritiker, der Druck auf eine Legalisierung wächst in vielen Staaten. Es sei im Sinne der Gleichstellung, dass Frauen ohne Gebärmutter, homosexuelle Paare oder auch alleinstehende Personen ein Recht auf diese „Hilfe“ hätten. 

Paare mit unerfülltem Kinderwunsch sind in einer Krise und suchen nach Auswegen aus ihrer schmerzlichen Situation. Viele haben nach jahrelangen, vergeblichen Versuchen mittels künstlicher Befruchtung den Blick für die Gesamtzusammenhänge verloren und wollen nur noch ans Ziel, egal um welchen Preis. In so einer Situation wird Leihmutterschaft oft schöngeredet. Von einer „Win-win-Situation“ ist dann die Rede: die Paare bekommen ein Kind, die Leihmutter bekommt Geld, es sei eine Art „Entwicklungshilfe“ in ärmeren Ländern, alle sind doch zufrieden. Warum etwas so Schönes und Erfüllendes wie die Geburt eines Kindes verbieten? 


Nun ja, Leihmutterschaft läuft leider nicht so schön und erfüllend ab, wie sie oft dargestellt wird. Die Bilder, die uns während der Corona-Krise aus einer privaten Klinik in der Ukraine erreicht haben, wo hunderte Neugeborene bestellt, aber nicht von ihren Wunscheltern abgeholt werden konnten, weil sie nicht einreisen durften, zeichnen ein gänzlich anderes Bild. Es wurde offensichtlich, was Kennern der Methode schon lange klar ist: Leihmutterschaft ist eine moderne Form des Kinderhandels. 

Es gibt kein „Recht auf ein Kind“ - das ist Konsum- und Besitzdenken. Es gibt in der Menschenrechtskonvention ein Recht auf Familiengründung, das ist aber ein Abwehrrecht. Das heißt, der Staat kann niemandem vorschreiben, Kinder zu bekommen oder nicht. In der derzeitigen politischen Debatte wird der Kinderwunsch zu einem Anspruchsrecht und der Staat zu einem absoluten Recht auf Familie verpflichtet. Doch wie soll das funktionieren? Mittels staatlicher Samenbanken oder Leihmutterschaftsagenturen? Menschenrechte wurden geschaffen, um gleiches Recht für alle Menschen zu ermöglichen. Zugleich ist klar, dass die Schwächeren vor den Stärkeren geschützt werden müssen, um zu ihrem Recht zu gelangen. Im Fall von Leihmutterschaft sind die Schwächeren die Kinder. Ihre Rechte sind höher zu bewerten als jene der Erwachsenen. Die Kinderrechtskonvention, die alle Staaten der Erde – mit Ausnahme der USA – anerkannt haben, schreibt vor, dass ein Kind das Recht hat, nicht gegen Geld gehandelt zu werden, und zwar egal zu welchem Zwecke. 

Bei der Leihmutterschaft kommt es in den allermeisten Fällen zu folgenden Situationen: Die Leihmutter – oder besser gesagt: Mietmutter - muss einen detaillierten Vertrag unterschreiben, in dem ihr sämtliche Verhaltensweisen in der Schwangerschaft vorgeschrieben werden. Die Frauen werden dazu angehalten, möglichst keine Bindung zu dem ungeborenen Kind aufzubauen. Abgesehen davon, dass das physiologisch, körperlich, seelisch wohl kaum möglich ist – Schwangere, die dazu neigen, werden normalerweise als pathologische Fälle behandelt – wissen wir aus der pränatalen Forschung, wie entscheidend und prägend die Monate im Mutterleib für einen Menschen sind. All diese Fakten werden im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft als unwichtig abgetan bzw. negiert. Die Schwangere bekommt, wenn sie Glück hat, monatlich eine Zuwendung, doch der Großteil des vereinbarten Honorars wird erst ausbezahlt, wenn sie ein Kind „liefert“. Und das muss natürlich ein gesundes sein. Sonst erhält sie kein Geld und in solchen Fällen bleibt das Kind meist in einem staatlichen Heim zurück, weil es dann niemand mehr will. Auch das Kinderrecht, seine leiblichen, genetischen Eltern zu kennen und - wenn möglich - von ihnen betreut zu werden, wird verletzt: Es gibt weder nationale noch internationale Datenbanken, wo die Daten der austragenden Mutter sowie der Eizellenspenderin hinterlegt werden. So können sich Jugendliche und junge Erwachsene nicht über ihre Elternteile informieren und – wenn erwünscht – Kontakt aufnehmen.  

Wenn man also die Menschenrechte von Kindern beachten will, dann kann es keine Zulassung von Leihmutterschaft geben. Denn selbst wenn kein Geld fließen sollte, wird ein Kind zu einem Vertragsgegenstand degradiert, zu einem Objekt. Und es findet immer ein geplanter Beziehungsabbruch unmittelbar nach der Geburt statt. 

Es sollte im 21. Jahrhundert klar sein, dass Technik und Medizin viel Segen bringen können, aber ein Fluch des Fortschritts scheint in unserer turbokapitalistischen Zeit zu sein, dass alle Lebensbereiche zu einem Geschäft werden. So ist auch im Fall der Reproduktionsmedizin dringend die entscheidende Frage zu stellen: Cui bono? Wer profitiert von der Kommerzialisierung der Leihmutterschaft denn tatsächlich? In erster Linie nämlich nicht die Leihmutter oder die Paare, sondern Rechtsanwälte, die Verträge aufsetzen, Ärzte, die diese Methoden praktizieren und Agenturen, die vermitteln. Wenn alles und jeder zur Ware wird, auch Babys, dann haben ethischen Normen wie die Kinderrechte keine Chance mehr. Insofern ist es dringend an der Zeit sich für ein globales Verbot der Leihmutterschaft einzusetzen, ohne Wenn und Aber.  

Stopp-leihmutterschaft.at

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