Heute sind alle Helden
US-Alpinist Steve House im Interview
Der Psychologe Manfred Rouß beschreibt Steve House im Buch „Zwischen Flow und Narzissmus“ als „prototypischen Narzissten“, der keine Wahrnehmung für die Welt außerhalb des Bergsteigens hat, egozentrisch und leistungsorientiert agiert. Seit seinem schweren Unfall hat sich vieles geändert. Extreme Touren sind passé, er setzt andere Prioritäten.
Eva Maria Bachinger, Foto: Markus Galuska, Archiv Steve House
Publiziert in Bergauf, 2015
Nach dem Unfall am Mount Temple in Kanada seien Sie nicht mehr derselbe wie zuvor, haben Sie in einem Interview gesagt. Was hat sich verändert?
Als ich 25 Meter fiel und schwere Rippenverletzungen erlitt, mein Becken in zwei Teile brach und meine rechte Lunge kollabierte, wusste ich, wenn das so weitergeht und kein Spital in der Nähe ist, dann überlebe ich das nicht. Ich hatte starke innere Blutungen und große Schmerzen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, aber ich war die ganze Zeit bei Bewusstsein. Ich hörte meinen Partner den Notruf tätigen und den Hubschrauber kommen. Die zwei Stunden, bis ich im Spital war, fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Da hatte ich Zeit zum Nachdenken. Ich dachte, o. k., das war´s. War das nun mein Leben? Ich war zufrieden, dass ich oft in den Bergen war, aber es gab viele Erfahrungen, die ich bis dahin nicht gemacht hatte. Meine erste Ehe hat nicht funktioniert, ich hatte nie eine Familie, ich tat nie etwas für andere. Ich war nur auf mich selbst fokussiert. Das Geheimnis ist: Die besten Kletterer der Welt sind jene, die nur auf sich konzentriert sind und auf nichts anderes. Andere Aspekte des Lebens werden dabei ausgeblendet. Ich dachte mir, wenn ich noch mal eine Chance bekomme und ich wieder so daliege, dann möchte ich mit allen Lebensbereichen zufrieden sein. So haben sich Prioritäten eindeutig verschoben: Das Klettern ist nach wie vor ein wichtiger Teil meines Lebens, aber es ist nicht der einzige. Wenn man gute Beziehungen, eine Familie haben will, muss man Platz dafür machen. Der Unfall befreite mich letztlich vom Druck, noch einen weiteren Nanga Parbat zu machen. Länger habe ich gehofft, den nächsten Schritt im Alpinismus zu setzen, die Westwand am Makalu. Ich bin nun nicht mehr daran interessiert.
Was ist nun auch wichtig?
Meine Frau Eva, das Unterrichten. Ich bin Mentor und gebe meine Erfahrungen an Jüngere weiter, nicht so sehr bestimmte bergsteigerische Fähigkeiten, sondern eher Urteilsvermögen, Entscheidungsfindung in bestimmten Situationen. Ich habe viel gelernt in dieser winzigen Welt des Kletterns und kann das nun weitergeben, auch in Form eines Trainingsbuches, das ich veröffentlicht habe. Zentral ist: zu lernen, aber auch zu geben, erst das macht uns als Mensch vollständig.
Über Ihren Vortrag 2011 beim IMS in Brixen nach dem Unfall und der langwierigen Rehabilitation waren viele Leute beeindruckt, andere waren enttäuscht und verärgert, weil sie sich mehr erwartet haben, spektakuläre Geschichten und Fotos. Wie war das für Sie?